Der Winzerzug von 1840

Quelle: von Carlowitz, Georg Heinrich: Versuch einer Culturgeschichte des Weinbaues, von der Urzeit bis auf unsere Zeiten, mit besonderer Beziehung auf das Königreich Sachsen zusammengestellt. Leipzig 1864. S. 806-809.

Dieses in Sachsen als das erste veranstaltete denkwürdige Winzerfest fand am 25. October 1840 in der Lößnitz statt, zu welchem als Nationalfest das Ministerium des Innern unter hoher Genehmigung einen Beitrag von 200 Thlr. und das Finanz-Ministerium 1 Faß Wein aus der Staatskellerei für die am Feste theilnehmenden Winzer verwilligte. Am Anhaltepunkt der Restauration „zur Weintraube“ war nächst dem geschmückten Festlocale, einer Tribüne und 3 großen Zelten ein 40 Ellen langer, 20 Ellen breiter und 8 Ellen hoher mit Laubgewinden verzierten Bretanbau zur Aufstellung der Trauben- und Weinsorten hergestellt worden.

Zur Mitwirkung hatten sich schon vorher 120 weinbautreibende Ortschaften erklärt und sendeten 1500 Stück auserlesene Traubensorten so wie 300 Flaschen Wein zur Ausstellung und Prüfung ein, während als Beitrag von den Mitgliedern der Weinbaugesellschaft und andern Bergherren nebst einzelnen Communen in 78 Nummern 1479 Trauben-Varietäten, 319 Flaschen Wein (eine von 1783) und 65 Thlr. zum Volksfeste gegeben wurden.

Am 25. Octbr. also , Sonntags nach geendetem Gottesdienste, Vormittags 11 Uhr versammelte sich die Weinbaugesellschaft und die dazu eingetroffene Wandergesellschaft sächsischer Naturforscher und Landwirthe nebst einer großen Zahl auswärtiger Gäste in dem genannten Festlocale, wo zunächst der Königl. Weinbergs-Inspector, Oberleutnant Mittag einen lehrreichen Vortrag über das Charakteristische der sächsischen Weinkultur, der verschiedenen Prachtstücke der ausgestellten Trauben und Weine, wie über den Zweck und die Leistungen der Weinbaugesellschaften in Europa hielt, worauf die Musterung und Prüfung der zur Ausstellung gebrachten Weinsorten aus den Jahrgängen 1811, 22, 27 und 34 vorgenommen ward, um diese bei dem Ankauf der zu verloosenden Weine besonders zu berücksichtigen (wodurch später 2014 Weinloose á ½ Thlr. zu dem Betrage von 1007 Thlr. untergebracht, mit welcher Summe sofort die vorzüglichsten auf Flaschen gefüllte Weine mit 2538 Flaschen angekauft wurden, worauf die Ziehung am 20. Dec. 1840 stattfand, deren Hauptgewinn auf 50 Flaschen war und dann abstufend auf jede Actie wenigstens 1 Flasche fiel.)

Das Festmahl des Winzerfestes mit Antheilnahme der Staatsminister und mehrerer Mitglieder der hohen Staatsregierung bestand aus 300 Couverts, wobei nur sächs. Weine und Champagner gereicht wurden; unter Musikbegleitung, Wechselgesang und frohen Toast´s trug ein Sängerchor mehrere hierzu eigends abgefaßte Gedichte vor, bis um 3 Uhr die Tafel aufgehoben und dann durch den Kammerherrn v. Berlepsch und Dr. Crusius für verarmte Winzer eine Collecte von 35 Thlr. veranstaltet ward. Die Masse der Zuschauer von mehreren Tausenden hatte sich durch die Extra-Dampfzüge von Dresden und Leipzig bedeutend vermehrt; gegen 4 Uhr verkündete das Schießen aus 50 Weinbergskanonen die Ankunft des Königs, der Königin und des gesammten König. Hauses auf der Eisenbahn.

Der vom Preßhofe der Königl. Hoflößnitzer Weinberge nach der Weintraube wallende große und brillante Winzerzug von gegen 40 Personen (entworfen durch die dichterische Phantasie des als Meister der Kunst berühmten Prof. Retzsch) theilte sich nach der zu einer im Drucke erschienenen Beschreibung dieses Festes lithogr. Darstellung in allegorischen, mythologische Gruppen, die Erzeugnisse des Weinbaues, die Werkstätten der Handwerker für selbigen, der Fabrik moussirender Weine auf Wagen geführt, nebst einem Wagen mit einem Faß 1834 Wein und den Zug der theils costümirten Winzer und Winzerinnen mit Attributen, Werkzeugen und Geräthschaften des Weinbaues geführt von den 3 fiscalischen Bergvoigten, mit Constablern, Herolden, 3 Musikchören, 2 sächs. Fahnen und der stattlich schönen Winzerfahne, wobei der Herbst allgorisch dargestellt, roth und gelb gekleidet, mit Weinranken geschmückt und Herbstblumen bekränzt, – umgeben als Nymphen von idyllisch gekleideten Mädchen, obst- und weingefüllte Körbe tragend, – mit dem Herrscherstabe auf einem Triumphwagen stand; der Weingott Bachus, mit seinem Begleiter Silen von Faunen und Bachantinnen umgeben, im Bilde des schönen Jünglings einen Weintraubenkranz um das Haupt, mit dem Thyrusstabe auf einem von Weinranken geschmückten Triumphwagen saß; auch der erste Winzermeister Sachsens, Paul Knoll befand sich im Costüme seiner Zeit, von einem Winzer vertreten mit im Zuge, welchem noch 3 Pritzschenmeister, eine lustige Person und zwei Männer, an einem Preßbaume die große sogen. Kalebs-Traube (aus dem Gewächshause der Frau v. Bredow) tragend, nebst diesen Winzern und Winzerinnen folgten.

Am Festlokale unter dem Schießen von 50 Weinbergskanonen, rauschender Musik und feiernden Gesängen angekommen, reichte Bachus den Winzermädchen den Weintraubenkranz und die große Weintraube, welche beides dem Königl. Paar überrreichten, die Personen des Ateliers der Champagner-Fabrik sich in üblicher Geschäftigkeit unter französischen Gesang zeigten und der den Paul Knoll darstellende Winzer einen vom M. Jacobi in Reichenberg gedichteten „vaterländischen Winzergesang“ als „Zuruf an die sächs. Winzer“ sang, dessen Schlußstrophen von den Winzerburschen und Mädchen im Chor wiederholt wurden.

Das Weinfest beschloß beim Genuß des edlen Göttertranks unter Heiterkeit u. Frohsinn bis zum späten Abend das Vergnügen des Tanzes und nach eingetretener Dunkelheit wurde auf dem einander auf dem rechten und linken Elbufer gegenüber gelegenen Höhen der königl. Weinberge der Hoflößnitz und zu Cossebaude ein rothes bengalisches Feuer unterhalten, welches weit in das herrliche Elbthal mit seinen gefeierten Reben leuchtete.

Der wesentliche Zweck dieses Nationalfestes war also: Erstens, Ausstellung der Produkte des vaterländischen Weinbaues zur Anerkennung und Auszeichnung derjenigen Rebensorten, welche in unsern klimatischen Verhältnissen vorzüglich zum Anbau geeignet sind und auch in minder günstigen Jahren einen sichern Ertrag gewähren können, Musterung der vaterländischen Weine und bestimmte Bezeichnung derselben zur Unterscheidung von geringern Weinen und zur Erhöhung des Credits derselben; Zweitens, zur Belebung eines so gemeinnützigen Industriezweiges durch Erweckung einer allgemeinen Theilnahme, eines lebendigen Gemeinsinns für den Weinbau; und Drittens, zur Erheiterung und Ermuthigung der Winzer.

So gewinnt gegenwärtig der inländische Wein durch Aufmerksamkeit immer mehr und fängt zu wohlthätigem Interesse der National-Industrie an, selbst im Auslande ein gesuchter Artikel zu werden und einen ehrenden Ruf zu erlangen; den anerkannten Werth der sächs. Weine bestätigen durch unpartheiische Untersuchungen in der Neuzeit namentlich die Versammlungen deutscher Land- und Forstwirthe in Stuttgart 1842 und in Altenburg 1843, wo die von sächs. Wein-Producenten eingesandten Weinproben von den verordneten Weinprüfungs-Commissionen günstige und ermuthigende Resultate gegeben haben; da „ die rothen Elbweine als gehaltvoll, geistig, gewürzhaft und reinjährig die weißen Elbweine als zart und angenehm, durch Kraft und Arom sich auszeichnend, die moussirenden Weine der Lößnitzer Fabrik als ausgezeichnet anerkannt worden sind.“

Diese Beurtheilung der sächs. Weine bezieht sich allerdings auf die aus den vorzüglichern Bergen und Kellerpflegen und von günstigen Jahrgängen, beweisen aber doch zur Genüge, auf welchen höhern Grad die sächs. Weinkultur, mit andern deutschen Ländern wetteifernd, durch rastlosen und rühmlichen Eifer zu ehrender Auszeichnung gegenwärtig gebracht worden ist und daß dadurch die Weinerbauer bisher geringerer Kulturen mit mehr Aufmerksamkeit zu sorgfältiger Pflege zu ihrem Vortheil ermuthigend um so mehr angeregt werden, unterliegt wohl keinem Zweifel.